Fast vier Jahre hatte ich für WIRED Germany geschrieben. Zunächst als Freelancer. Dieses Jahr dann auch als festangestellter Redakteur. Dabei hatte ich mit den besten Kollegen gearbeitet, die man sich nur vorstellen kann und mit vielen kreativen, mutigen und intelligenten Autoren zu tun, die mir immer wieder Einblicke in unbekannte Territorien, Themenfelder und Umstände erlaubten.
Einst gestartet bei WIRED bin ich, da dieses Magazin für mich immer für die Zukunft stand. Nicht nur zukünftige Technologien und Entwicklungen, sondern die Zukunft als einen Ort, den wir erreichen können. Einen Ort, auf den man wie mit einem Schnellzug zurast, der gleich einer schimmernden High-Tech-Metropole am Horizont auftaucht, sich dann in die Höhe schiebt und dabei in den polierten Schienen und einem angrenzten Bergsee spiegelt. Ein Ort, von dem uns schon viele Geschichten erzählt worden waren und noch erzählt werden.
Die Zukunft, davon bin ich überzeugt, ist eine Welt, auf die wir alle mit Optimismus zugehen sollten. Aber nicht blauäugig und naiv. Denn wie jede Reise ist auch die Reise in die Zukunft gefährlich. Wir müssen uns in acht nehmen, dass wir uns gut vorbereiten; wissen, welche Wege wir beschreiten und alles wichtige im Gepäck haben, wenn etwas schief gehen sollte. Die Zukunft ist sowohl real als auch fiktiv, sie ist Science und Fiction – aber vor allem ist sie wahnsinnig spannend.
Und auch wenn WIRED Germany es selbst nicht in diese Zukunft schaffen wird, werde ich meine Reiseplanung nicht aufgeben, sondern versuchen weiterhin unsere Stationen festzuhalten und aufzuschreiben, wo wir haltmachen werden und was uns in der Zukunft alles erwarten könnte. Sowohl in der Science Fiction wie auch in der Realität.
Damit wäre schon grob umrissen, was Azimut Futur sein soll – und warum dieser (zugegeben) nicht gerade eingängige Name vielleicht ganz passend ist. Dennoch: Was bedeutet Azimut eigentlich? Dazu die Wikipedia.
Die Definition der Astronomie lautet wie folgt: Das Azimut ist der Winkel zwischen der Meridianebene und der Vertikalebene eines Gestirns.
In der Artillerie ist Azimut die genaue Richtungsangabe in Strich (Artilleriepromille).
In der astronomischen Navigation ist mit Azimut der Winkel am gegissten Standort (gekoppelter Ort) von Nord über Ost zum Bildpunkt (Fußpunkt) eines Gestirns gemeint.
Kurz um: Azimut Futur heißt für mich 'Richtung Zukunft'. Und das mit Lese-, Schau-, Hör-Tipps und auch meinen eigenen Gedanken und kleinen Artikeln.
Michael
Lesetipps
Für mich war dieses Jahr mein Reisegepäck (und mein Kindle) vor allem mit vielen Büchern gefüllt. Hier vier Vorschläge, die ich euch an dieser Stelle unmittelbar als Weihnachtslektüre empfehle – und hier bei WIRED.de noch einige mehr.
In The Seclusion von Jacqui Castle hatten die nationalistischen Bewegungen in den USA bittere Folgen. Im Jahre 2090 hat sich der Staat vollkommen vom Rest der Welt isoliert. Die meisten Menschen leben zusammengepfercht in Megastädten. Und kleine Trupps suchen das Land nach den Überresten von verwertbaren Ressourcen ab. Auf einem Trip entdecken zwei junge Amerikaner ein Hort von Büchern aus der Zeit vor der Abschottung. Erstmals erkennen sie, was wohl jenseits der Grenzanlagen vorgeht – und wollen fliehen.
The 2020 Commission Report on the North Korean Nuclear Attacks Against the United States von Jeffrey Lewis ist ein elaboriertes Denkexperiment. Der Professor am Middlebury Institute of International Studies spielt darin durch, wie es tatsächlich zu einem nuklearen Angriff Nordkoreas auf die USA kommen könnte – und arbeitet diesen dann anhand von fiktiv-historischen Ereignissen, Dokumenten und Interviews auf. Das alles ist freilich Science Fiction aber so nah an der Realität, dass es fast schon schmerzt.
Ein anderes Highlight war New York 2140 in dem Kim Stanley Robinson eine Zukunft beschreibt, in der der Klimawandel eingefordert hat, was wir nicht retten konnten. Und das ist vor allem Landfläche. Manhattan steht unter Wasser aber ist dennoch bewohnt. Im MetLife Tower leben Börsenspekulanten, Internetberühmtheiten, ein Hausmeister und viele weitere verquere Menschen. Und eben deren Leben folgt Robinson, um mit dem Turbokapitalismus, der Aufmerksamkeitsökonomie und zuvorderst den USA abzurechnen.
Erst gerade habe ich The Last Voyage of Skidbladnir von Karin Tidbeck beendet, das als E-Book gerade einmal einen Euro kostet. Es ist kein Roman, sondern sogar mehr Kurzgeschichte als Novelle und erzählt von Saga, die ihr Heimatdorf verließ, um als Mädchen für alles auf einem abgewrackten Passagierfrachter anzuheuern. Doch unter dessen Hülle verbergen sich mehr als nur Kabel, Schläuche und Generatoren – was besonders klar wird, als immer öfter merkwürdige Fehlfunktionen auftreten.
News und Artikel
Der Mond bei Köln
Alle wollen sie gerade zum Mond. Die NASA, Jeff Bezos und auch die ESA und das DLR. Gemeinsam planen die beiden Letztgenannten derzeit eine künstliche Mondlandschaft als Trainingsareal, das auf den Namen Luna hören soll. Das soll bei Köln auf einer 1.000 Quadratmeter großen Wiese entstehen, die abgetragen, geglättet und letztlich überdacht wird. Mit Vulkanpulver soll die staubige Oberfläche des Erdtrabanten simuliert werden. Die pulvrige Ablagerung ist nicht ohne. Denn sie kann leicht durch kleinste Ritzen in Geräten und Anzüge eindringen und dadurch für Fehlfunktionen sorgen - genau wie das Original.
Richard Branson hat Menschen ins All gebracht
Virgin Galactic, das Raumfahrttourismus-Start-up von Milliardär Richard Branson, hat es geschafft. Erstmals hat eines seiner Raketenschiffe, das von einem riesigen Trägerflugzeug in die Luft gehoben und dann ausgeklinkt wird, die 80-Kilometer-Grenze zum Weltall durchbrochen. Damit hat das Unternehmen als erstes Privatunternehmen mit einem eigenen Raumschiff Menschen ins All transportiert. Dadurch kommt Branson sogar SpaceX zuvor – das mit seiner Dragon-V2-Kapsel im kommenden Jahr NASA-Astronauten zur ISS fliegen soll. Eigentlich hatte Branson diesen Erfolg bereits vor über zehn Jahren versprochen. Denn ursprünglich wollte er schon 2007 erste zahlende Gäste in den Erdorbit transportieren.
Tayler Swift ließ ihr Konzern nach Stalkern scannen
Taylor *Shake it off* Swift hat offenbar ein Gesichtserkennungssystem bei ihrem Konzern im Rose Bowl, Pasadena einsetzen lassen. Das war bereits im Mai. Kameras filmten die Gesichter der Besucher. Die Bilder wurden dann mit einer Datenbank bekannter Swift-Stalker abgeglichen – von der die Dame mehrere Hundert hat. Die Legalität scheint in diesem Fall gegeben, da die Konzerte als „nicht öffentliche“ Veranstaltungen gelten – und beim Kartenkauf wohl auch einer ganzen Latte an ABGs zugestimmt wird. Aber die mangelnde Offenheit über den Einsatz der Technologie ist jedoch zumindest fragwürdig.
Minority Report in Chicago
Sonja Peteranderl für WIRED Germany zudem über das Predictive Policing in Chicago geschrieben. Das sollte einst vor allem potentielle Wiederholungstäter und gefährdete Bürger ausmachen. Aber das System erweist sich mittlerweile als diskriminierend, rassistisch und als verstörendes Überwachungswerkzeug.
WIRED 2029
Bevor WIRED Germany seinen Betrieb ganz einstellt, haben wir noch eine letzte Artikel-Serie auf den Weg gebracht: Mit WIRED 2029 schauen wir zehn Jahre in Zukunft – und was dann sein wird oder könnte.
Werden wir 2029 überall autonome LKW auf den Straßen haben?
Wird es dann bereits die Robo-Alleskönner geben, wie wir sie in Film und Fernsehen gerne sehen?
Weitere coole Artikel folgen noch bis zum 19. Dezember.
Hörtipps
Der Zündfunk Generator hat in einer seiner letzten Ausgaben Liu Cixin und die chinesische Science-Fiction betrachtet. Es ist nicht gerade die beste Aufarbeitung des Themas aber doch ein Durchhören bei der S-Bahn- oder Autofahrt wert.
In China gibt es eine lebendige und vielfältige Szene der Science Fiction-Literatur. Das ist mit dem internationalen Erfolg des chinesischen Autors Liu Cixin und seiner "Trisolaris"-Reihe klar geworden. Die Romane sind auch aus einer Auseinandersetzung mit dem Trauma der Kulturrevolution heraus entstanden. Darüber sprechen wir im Zündfunk Generator mit Liu Cixin.
Eine fantastische Aufarbeitung hat hingegen Reply All mit seiner Episode Negative Mount Pleasant geleistet. Die kleine Ortschaft Mount Pleasant in Wisconsin ging einen Deal mit Foxconn ein. Das chinesische Megaunternehmen will dort für mehrere Milliarden eine Fabrik aufbauen. Das riss die Gemeinde auseinander. The Verge hat die Episode mit einem Interview begleitet.
Worte zum Schluss
Vielen Dank an jene, die Azimut Futur bereits abonniert haben. Der Newsletter ist bei weitem noch nicht perfekt, die beste Form muss noch gefunden, die Ressorts noch ausgearbeitet und geordnet werden. Aber ich denke, dieser Debut-Newsletter gibt euch eine Vorstellung davon, was er sein kann und vielleicht auch wird.
Ansonsten: Folgt mir gerne auf Twitter bei @micha. Und wer wissen mag, was meine WIRED-Kollegen so tun, der kann ihnen ebenso auf Twitter bei @wolfgangkerler und @CaptainBenski folgen.
Ein großer Dank geht auch an Christian Schiffer, der mich auf die Idee zu diesem Newsletter gebracht hat. Er ist der Kopf hinter dem Games-Booakzine WASD, das gerade in seiner 14ten Ausgabe erschienen ist, die ich euch nur wärmsten empfehlen kann.