Azimut Futur #19#0003
Wow, was ein Raketenstart. Damit hätte ich nun wahrlich nicht gerechnet. Erst vier Ausgaben (fünf mit dieser) von Azimut Futur hat es bisher gegeben und dennoch liegt die Abonnentenzahl schon in einem Bereich, den ich vielleicht für Ende dieses Jahres für realistisch gehalten hätte. Ihr seid fantastisch – vor allem ihr da, die ihr so kräftig dafür geworben habt!
Aber noch dankbarer bin ich für all das Feedback, das bisher kam. Viele finden es toll, was ich hier tue – und auch wie. Zuvorderst die Lese- und Schauempfehlungen werden gelobt. Die Auswahl der Artikel und News, die ich euch präsentiere, gefällt. Andere meinen, das ein oder andere könnte aber auch durchaus besser und anders gehen: Oder, sagen wir es ganz direkt, etwas kürzer. Zu lang und ausschweifend sei vor allem der Climate-Engineering-Artikel gewesen; jedenfalls für einen Newsletter. Und, ja, das ist etwas dran. Ich werde daran arbeiten!
Dazu habe ich einige Ideen an denen ich gerade feile, um Azimut Futur aufzuwerten und spannender zu gestalten. Kurze Interviews soll es geben und Tipps von Menschen, die Science Fiction nicht nur lieben, sondern auch leben. Aber ich will hier noch nicht zu viel verraten oder versprechen – zumindest nicht, bevor die Sache eingetütet ist.
Noch eines: Die Empfehlungen. Ja, viele mögen sie und finden, es könnten gerne noch mehr sein – und zwar nicht nur aus dem Science-Fiction-Bereich. Daher hatte ich eine kleine Umfrage gestartet, die recht eindeutig ausgefallen ist: Etliche von euch würden noch einen reinen Empfehlungsnewsletter abonnieren, wenn es einen gäbe. Und: Den wird es mit Kurator42 geben. Ich weiß noch nicht, wie oft und regelmäßig er erscheinen wird. Geschweige denn wie umfangreich er jeweils ausfällt. Aber ich werde versuchen, ihn in einem gewissen Regelmaß zu senden aber euren Posteingang auch nicht zuzumüllen.
Vielen Dank für ihre Kooperation.
Lesetipps
Ich habe sie noch nicht alle gelesen. Aber was ich bisher gelesen habe, das war herrlich düster, arg bitter und ziemlich fantastisch. A People’s Future of the United States ist eine über 430 Seiten starke Sammlung an spekulativen Kurzgeschichten über die Zukunft der USA: In Charlie Jane Anders' The Bookstore at the end of America hat sich Kalifornien von den Vereinigten Staaten losgesagt und in eine so fortschrittliche wie aber auch fragile Technokratie verwandelt. Mit The Referendum wagt Lesley Nneka Arimah ein Denkexperiment: Sie fragt, würden die Amerikaner die Sklaverei wieder einführen, wenn sie darüber abstimmen dürften? Und in Good News Bad News erschafft Charles Yu eine verstörend bizarre Dystopie, die mit faschistoiden Robotern und Flüchtlingslagern auf dem Mond aufwarten kann.
Ich hatte das Das sechste Erwachen in seiner O-Fassung Six Wakes bereits vor zwei Jahren gelesen und war total angetan. Denn ich war schon immer ein großer Agatha-Christie-Fan und der Roman von Mur Lafferty ist eigentlich nichts anderes als eine Christie-artige Wer-war-der-Mörder-?-Geschichte. Wobei hier nicht ein Detektiv, sondern die Mordopfer selbst den Mörder suchen. Denn nachdem alle Besatzungsmitglieder auf dem Raumschiff Dormire umgebracht wurden, werden sie als Klone wiedererweckt – und das nicht nur einmal. Das ist clever, komplex, manchmal witzig und auch mal herrlich klaustrophobisch.
Das 30. Jahrhundert. Die Menschheit hat sich in zwei Fraktionen aufgespalten, die sich nicht gerade gut leiden können. Die eine ist technikfeindlich und lebt in riesigen Stahlkuppeln, die die Erde wie Pickel überziehen. Die andere Fraktion hat sich ins All aufgeschwungen und lebt in einer Gemeinschaft mit hochentwickelten Robotern. Die Lage zwischen den Gruppen ist angespannt. Da kann es kein Zufall sein, dass gerade jetzt ein genialer Robotiker auf der Erde ermordet wird. Untersuchen soll den Vorfall je ein Vertreter beider Parteien: Der Erdenpolizist Elijah Baley und R. Daneel Olivaw, ein Roboter. Für mich ist Die Stahlhöhlen eines von Isaac Asimovs spannendsten Werken, das es zahlreiche seiner Theorien über die Zukunft, die Co-Existenz von Mensch und Maschine und die Besiedlung fremder Welten zusammenfasst.
Schautipps
Der TV-Sender SyFy hatte sie aufgegeben aber Amazon hat sie gerettet: Die Serie The Expanse. Seit 8. Februar ist die 3. Staffel hierzulande auf Amazon Prime verfügbar: Es geht um die Erde, den Mars, den Asteroidengürtel, deren Bewohner, Intrigen, Verschwörungen und genetische Experimente – und all das ist auf fantastische Weise inszeniert.
Was The Expanse für mich so besonders macht, das ist nicht nur die politisch aufgeladene Story, die zunächst in kleine Gemeinschaften hineinblicken und dann allmählich das Sonnensystem überschauen lässt. Sondern auch, dass sich The Expanse und seine Welt wie ein Videospiel anfühlen: Und das kommt nicht von ungefähr – wie ich vor zwei Jahren hier schonmal aufgeschrieben hatte. Schaut euch die Serie an. Sie wird euch gefallen.
Berlin. Howard Silk ist ein ruhiger Kerl. Er arbeitet als Verwalter einer UN-Behörde in der Hauptstadt und lebt ein ereignisloses Leben. Zumindest bis er erkennt, dass es auch ganz anders hätte aussehen können. Denn sein Arbeitgeber überwacht, wie sich zeigt, einen geheimen Übergang in einer andere Dimension. Ein Experiment von DDR-Wissenschaftlern hatte die Welt nämlich einst in zwei Realitäten aufgespalten. In der Spiegelwelt ist Howard ein Geheimagent, knallhart und stets unter Hochspannung – und auch sonst ist dort so einiges anders. Anschauen könnt ihr euch Counterpart über den StarzPlay-Channel auf Amazon, auf iTunes und Videoload. Ja, umständlich und nicht günstig – aber die Serie lohnt!
Black Mirror ist definitiv die Science-Fiction-Serie unserer Zeit. Denn wie kaum eine andere fängt sie in ihren anthologischen Episoden den Einfluss und die unvorhersehbaren Implikationen neuer Technologien auf unser Leben, die Gesellschaft und Kultur ein. Aber: Wieso ist das so? Und ist Black Mirror wirklich Science Fiction und was hat der Serienschöpfer Charlie Brooker damit zu tun? Auf diese Fragen will Kyle Kallgren mit seinem Video-Essay eine Antwort finden.
Hörtipps
Fritz Lang - Filmgenie und Visionär
Mit Metropolis hat Fritz Lang im Jahre 1927 einen der wohl prägendsten und wichtigsten Filme überhaupt geschaffen. Es ist ein Science-Fiction-Meisterwerk, eine Dystopie, eine Parabel auf Technik, Mensch, Privilegien, Macht, Status und Unterdrückung. Allerdings: Wer war dieser Fritz Lang eigentlich – und war er tatsächlich das Genie, das viele in ihm sehen? Dem geht Radiowissen vom BR mal nach.
Fritz Lang hat Filmgeschichte geschrieben - nicht nur durch Meisterwerke wie "Dr. Mabuse", "Metropolis" und "M - Eine Stadt sucht einen Mörder". Der Mensch hinter den oft düsteren Bildern bleibt bis heute geheimnisumwittert.
News und Artikel
In neun Jahren sollen wieder Menschen auf den Mond
Im Jahre 2028 sollen wieder Menschen ihren Fuß auf den Mond setzten. Das hat die NASA im vergangenen Jahr als Ziel ausgerufen. Vier Jahre zuvor wollen die Amerikaner schon einen neuen Lander auf den Mond schicken – ein Test für die bemannte Mission. Dafür will sich die Raumfahrtagentur, wie jetzt angekündigt, private Raumfahrtunternehmen an die Seite holen. Sie sollen einen schnellen, möglichst günstigen aber natürlich auch sicheren Weg ausmachen, den Erdtrabanten zu erreichen.
Through multi-phased lunar exploration partnerships, NASA is asking American companies to study the best approach to landing astronauts on the Moon and start the development as quickly as possible with current and future anticipated technologies.
Ist die NASA erst einmal wieder oben, dann soll der Mond auch nicht mehr so schnell verlassen werden.
When NASA again sends humans to the Moon, the surface will be buzzing with new research and robotic activity, and there will be more opportunities for discovery than ever before
Aber nicht nur die USA haben den Mond im Fadenkreuz. Auch die russische Raumfahrtbehörde Roskosmos hat Pläne: Sie will 2031 und 2032 einen bemannten Flug auf die Mondoberfläche unternehmen und mit einem Mondfahrzeug ausgedehnte Erkundungsmissionen unternehmen. Von 2034 bis 2035 soll dann mit der Konstruktion einer Basis auf dem Erdtrabanten begonnen werden. Durchaus ehrgeizig!
Was tun mit dem ganzen Weltraumschrott?
Es ist kaum zu glauben, wenn man von der Erde hinauf in die Sterne schaut: Der Raum um unseren Planeten ist zugemüllt. Gegenwärtig sollen zwischen 7,6 und 8,5 Tonnen Weltraumschrott im Orbit herumschwirren. Das sind Raketenteile, Überreste zerstörter und ausgemusterter Satelliten, zerfetzte Solarpaneele, abgefallene Hitzeschutzplatten des Space Shuttle oder auch Werkzeuge, die Astronauten verloren haben. Was damit tun? Dazu gibt es zahlreiche Überlegungen. Der Künstler Daan Roosegaarde hat folgende Idee: Wiederverwerten! Er will aus den Überresten riesige Solarreflektoren bauen, um die Erde von der Sonneneinstrahlung abzuschirmen oder den Müll einfangen und gezielt in die Atmosphäre schießen, um künstliche Sternschnuppen zu erzeugen.
Wie ein Essay die Vormacht des Silicon Valley prophezeite
Vor mehr als 40 Jahren schrieb Jo Freeman ein Essay, das sie mit dem Titel The Tyranny of Stuctureless überschrieb. Es war eine Abhandlung über ihre Erfahrungen in der Frauenrechtsbewegung der 60er. Sie beschreibt, auf welche Weise sich dort Machtstrukturen ausbildeten, deren Existenz jedoch verleugnet wurde. Heute scheint dieses Essay noch auf eine andere Weise faszinierend. Denn es scheint die Macht, Vorherrschaft und Rhetorik des Silicon Valley und der beherrschenden Tech-Konzerne vorhergesagt zu haben, wie Noam Cohen in WIRED aufschlüsselt.
Erst ein Arm, dann der andere…
Das sogenannte Moravec's Paradox besagt, dass entgegen der allgemeinen Annahme oftmals schwierige Aufgabenstellungen bei Künstlichen Intelligenzen erstaunlich wenig Rechenkraft beanspruchen. Vergleichsweise simple motorische Tätigkeiten hingegen fordern enorme Ressourcen – weshalb Roboter oft an diesen scheitern. Daher ist es ein ziemlicher Triumph was Forscher des Georgia Institute of Technology und Googles Deep-Learning-Abteilung bereits im vergangenen Jahr geschafft haben: Sie haben einer KI beigebracht, T-Shirts, Jacken und Pullover über einen virtuellen Oberkörper zu ziehen. Mittlerweile ist auch die dazu gehörige Abhandlung im Internet nachlesbar.
Worte zum Schluss
An dieser Stelle nochmal ein kleiner Aufruf: Ihr habt Kritik, Feedback, Anregungen? Lasst es mich wissen. Habt ihr selbst Lese-, Schau-, Hörtipps? Immer her damit. Seid ihr selbst in Sachen Science Fiction als Autor, Filmemacher oder Podcaster unterwegs: Dann sagt es mir!